Lücker beschenkt das Publikum
Der Mensch braucht Kontinuität im Leben. Zumindest manchmal. Der Kirchenmusiker Professor Martin Lücker bietet das. Regelmäßig spielt er montags und donnerstags „30 Minuten Orgelmusik“ in der evangelischen Sankt Katharinenkirche an der Hauptwache. Am Montag, 5. August 2019, zum 3.500 Mal. Um Anflüge von Selbstironie nicht verlegen, erzählt Lücker, ein Boulevardblatt und ein Stadtmagazin sprächen von „dem Klassiker unter den kostenlosen Konzerten“ in Frankfurt.
Da steckt Respekt der Presse drin und nicht unbedingt die Betonung auf „unentgeltlich“. 110, 120 Leute nehmen auf den Kirchenbänken Platz, bevor auf die Minute das am Kirchenjahr orientierte Programm zwei Mal in der Woche beginnt – außer an Feiertagen. Tendenz zunehmend. Büroangestellte genießen den Klang, bevor sie mit der S-Bahn nach Hause aufbrechen, Connaisseure klassischer Musik lassen sich nieder in dem Wissen, beste Qualität erwarten zu können, Menschen, die rasten wollen und Halt machen in dem Gotteshaus im Herzen Frankfurts, genießen die Klänge. Aus dem Altenpflegeheim Justina von Cronstetten Stift kommt regelmäßig Publikum, Konfirmandinnen und Konfirmanden, auch andere Jugendliche, erfahren hier, welch ein Genuss Orgelklang sein kann.
Johann Sebastian Bach taucht sicher am häufigsten im Programm auf, das es seit dem 1. September 1983 gibt. Aber gewiss nicht nur. Zwei, drei Komponisten sind es in der Regel, die die Vorlagen liefern. Bei den 3.5000. „30 Minuten Orgelmusik“ werden zu hören sein Präludium und Fuge C-Dur BWV 531 von Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdys Andante con variazioni D-Dur und Max Regers Phantasie „Halleluja, Gott zu loben“ op. 52, Nr. 3.
Meist beginnt Martin Lücker mit einem kraftvollen Stück. Damit sich Nachzügler ohne viel Aufhebens setzen können. Die für den Jubiläumstag gewählte Zusammenstellung ist nicht untypisch für den Musiker, Jahrgang 1953, „es gibt aber auch einen nicht kleinen Anteil 20. Jahrhundert“. „Hardcore Moderne“, die er auch in großen Konzerthäusern, beispielsweise der Alten Oper dieses Frühjahr bei der Performance von Marina Abramović, intonierte, kommen bei dem halbstündigen Nachmittagskonzert nicht vor.
Sorgfalt, Präzision – „wie sie bei einem liebevoll zubereiteten Essen wichtig sind“, lässt Lücker bei der Zusammenstellung der 30 Minuten walten. Die Frankfurter Schriftstellerin Eva Demski hat Lücker, der lange Jahre an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst lehrte, ein Gedicht gewidmet. Da heißt es unter anderem über die von ihm gespielten Töne: „sie reifen in pfeifen und züngeln in zungen, tröpfeln aus knöpfen als wärn sie gesungen“.
Tatsächlich hat es etwas sehr poetisches, das musikalische Geschenk, das dem Publikum so zuverlässig an der Hauptwache unterbreitet wird.
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