Kirchenasyl: Ein bewahrender und bewahrenswerter Schutzraum
Ende August wird in Berlin von der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“, 40-Jähriges begangen. 1983 gab es in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche das erste Kirchenasyl. Auch in Frankfurt gewähren einige Gemeinden seit vielen Jahren regelmäßig Kirchenasyl. Die Evangelische Kirchengemeinde Frankfurt-Bornheim und der Standort Cantate Domino der Evangelischen Kirchengemeinde Frankfurt-Nordwest zählen dazu, auch die Miriamgemeinde in Bonames. In allen drei Gemeinden befinden sich aktuell Menschen im Kirchenasyl. „Das Kirchenasyl ist eine wichtige Institution, die auf Menschen in sehr besonderen und konkreten Notsituationen aufmerksam macht, indem es befristeten Schutz gewährt. Das Kirchenasyl ermöglicht, dass konkret hingeschaut wird“, sagt der evangelische Stadtdekan von Frankfurt und Offenbach Holger Kamlah.
Ohne die Ehrenamtlichen-Teams ginge es nicht
Eine Somalierin und zwei Frauen aus Syrien leben derzeit in Cantate Domino. Leben, wohnen – eigentlich klingen beide Verben falsch. Die Frauen haben in dem Kirchort der Evangelischen Kirchengemeinde Nordwest Schutz gefunden angesichts drohender Abschiebung in das Erstaufnahmeland. Grundlage wäre die sogenannte Dublin-Regelung der EU, die Menschen ins Erstaufnahmeland zurückführt. Meist geht es um EU-Staaten wie Ungarn, Polen oder Rumänien, in denen kaum Chancen auf Asyl bestehen und die Abschiebung ins Herkunftsland droht.
Seit gut zehn Jahren nimmt Cantate Domino immer wieder Geflüchtete ins Kirchenasyl auf. 2020 beispielsweise schrieb Sigrid Düringer in einem Erfahrungsbericht über zwei Männer aus Eritrea: „Geschlafen haben die Gäste in der Sakristei und einem kleinen Trakt am Pfarrhaus. Gelebt, gekocht, gelernt, Sport getrieben, sich gelangweilt, Feste (mit)gefeiert, Freunde getroffen und vieles mehr haben sie im Wesentlichen im Foyer des Gemeindehauses.“ So ähnlich sieht auch der Alltag der aktuell hier Untergekommenen aus, bestätigt Düringer, die sich weiterhin in dem Betreuungsteam engagiert.
In Frankfurt-Bornheim wohnt im Gemeindehaus derzeit eine aus Afghanistan stammende Familie mit zwei Kindern. Auf Grund der Anstellung beim Justizministerium litt die Familie nach der Machtübernahme der Taliban unter massiven Repressionen. Das aus acht Mitgliedern bestehende Bornheimer Kirchenasyl-Team kauft für die vier ein, organisiert Deutschunterricht und Arzttermine oder „besucht sie einfach für ein Gespräch“.
Für Kleidung oder auch Spiele bittet die Gemeinde um Spenden, die Kontonummer ist auf der Gemeinde-Website www.wir-in-bornheim.de zu finden, gebeten wird darum, den Betreff „Kirchenasyl“ anzugeben. Sigrid Düringer, sagt gleichfalls, „Spenden können wir immer gebrauchen“, doch ganz dringend sei es nicht, über Zuwendungen und Kollekten komme einiges rein. Die pensionierte Pfarrerin, früher Studienleiterin am Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), spricht das Thema „Helfende“ an. Das ebenfalls aus acht Mitgliedern bestehende Nordwest-Team ist eingespielt, angesichts eines Durchschnittsalters „um die 70“ würden sie sich hier jedoch eine jüngere Verstärkung wünschen.
Unterstützung durch Beratungsstelle am Weißen Stein und die Lobbyarbeit des Vereins MaQom
Das gemeindliche Engagement wird flankiert von anderen. Barbara Lueken beispielsweise, tätig in der Flüchtlingsberatung des Evangelischen Zentrums am Weißen Stein, berät in Sachen Kirchenasyl. Gemeinden können sich bei ihr über Rechtliches oder auch kirchliche Positionen zu dem Thema informieren. Ehrenamtliche, die das Kirchenasyl in der Regel tragen, finden hier Rat. Enge Verbindungen bestehen vom Weißen Stein zur Clearingstelle Kirchenasyl der EKHN, der Evangelischen Kirche von Kurhessen und Waldeck und der gemeinsamen Diakonie der Landeskirchen.
Frank Appel war bis zu seiner Pensionierung im Bereich Flucht, interkulturelle Arbeit und Migration der hessischen Diakonie tätig. Heute ist der Sozialpädagoge erster Vorsitzender des Vereins MaQom – Kirche und Zuflucht e.V., der im EKHN-Raum vernetzend und in Sachen Lobbyarbeit aktiv ist. „Es gibt keinen Unterschied zwischen Stadt und Land“ bei der Nachfrage nach Kirchenasyl, berichtet Appel. Geändert habe sich, dass früher Kirchenasyl oft über bestehende Kontakte der Suchenden zu Gemeinden zustande kamen, heute träfen die Anfragen eher über übergemeindliche Kanäle ein. Appel beobachtet einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Kirchenasyl. Drei, vier Gesuche seien es gegenwärtig pro Woche.
Darmstadts OB bekennt sich zu Kirchenasyl
Der MaQom-Vorsitzende ist froh um den Ausgang des rheinland-pfälzischen Behördenbesuchs bei der Darmstädter Matthäusgemeinde vergangene Woche, wo ein Syrer Zuflucht im Kirchenasyl gefunden hatte. Rund 100 Menschen aus Hessen und Rheinland-Pfalz hatten vor der Gemeinde gegen die drohende Abschiebung demonstriert, die Presse informierte über das Schicksal des Syrers. Das Ergebnis: Der Mann bekommt ein Asylverfahren und wird nicht, wie befürchtet, am letztmöglichen Tag nach Malta abgeschoben. „Selbst der Oberbürgermeister hat das in einer Presseerklärung unterstützt“, sagt Appel. In der Verlautbarung von OB Hanno Benz heißt es: „Beim Kirchenasyl handelt es sich um einen wichtigen Schutzraum, der für Geflüchtete in verzweifelten Situationen Stabilität und Sicherheit“ bedeute. Und: „Diese Schutzräume gilt es zu bewahren.“