„Ihr seid die Zukunft“
Polizeimotorräder parken am Eingang der Gedenkstätte Börneplatz. Polizisten, sie tragen Sicherheitswesten, stehen auf dem Kies, als die Konfirmandinnen und Konfirmanden aus Nied, dem Gallus, der Sachsenhäuser Dreikönigsgemeinde und der im Offenbacher Westend angesiedelten Friedenskirchengemeinde eintreffen zur Veranstaltung „Im Gehen erinnern – 9. November“. Aus weiteren Gemeinden stoßen „Konfis“ hinzu, einzelne ältere Menschen, oft grauhaarig, gesellen sich zur Kundgebung.
Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Frankfurt (GCJZ), die Jüdische Gemeinde Frankfurt und das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach haben zu dem Gedenkgang durch die Innenstadt eingeladen. Petra Kunik, Vorsitzende der GCJZ, begrüßt, weist auf die Steine hin, die an die 11.908 namentlich bekannten Frankfurterinnen und Frankfurter erinnern, die in der NS-Zeit ermordet wurden. „Jeder Mensch hat einen Namen – und deshalb sind wir hier“, so Kunik, zu erinnern an die hier Genannten, aber auch die vielen anderen, die in der Shoah umgebracht wurden.
Aus zwei Gründen wurde die Veranstaltung auf den 12. November verlegt: Dienstagnachmittags findet traditionell in den evangelischen Kirchengemeinden der Konfirmandenunterricht statt, der 9. November, der Gedenktag, der an die Pogrome im Jahr 1938 erinnert wird, fiel in diesem Jahr auf den jüdischen Ruhetag, den Sabbat.
Flankiert von den Polizisten, ging es vom Börneplatz in die Albusstraße, wo Eintracht Frankfurt-Talent Max Girgulski zu Hause war, bevor er im Alter von 20 Jahren vor den Nazis nach Argentinien floh. „Was würdet ihr tun, wenn man euch aus eurem Lieblingsverein werfen würde?“, fragte Roberto Fabian, Interreligiöser Referent der Jüdischen Gemeinde die Jugendlichen? Aufmerksamkeit war ihm und den anderen, die an den Wegstationen sprachen, sicher, kein Getuschel, kein Scharren, weithin keine Kopfhörer zu sehen in den Ohren angesichts der Konfrontation mit der schrecklichen Vergangenheit.
Aber nicht nur zuhörend, sondern auch als Vortragende waren die Konfirmanden beteiligt, beispielsweise las eine Jugendliche die Passage aus dem Buch „Kaiserhofstraße 12“, in der Valentin Senger beschreibt, wie der Mob die Synagoge am Börneplatz am 9. November abfackelte.
Melanie Lohwasser, in Seckbach Pfarrerin im Altenheim der Budgestiftung, das auf das jüdische Ehepaar Henry und Emma Budge zurückgeht, sprach an der Zeil, an dem Denkmalstein, der an Fritz Bauer erinnert, der die Auschwitzprozesse in Gang brachte. Pfarrerin Susanna Faust Kallenberg, zuständig für den interreligiösen Dialog im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach, sagte vor der neuen Gedenkstätte an der Staufenmauer, auch heute komme es darauf, den Test zu bestehen, wachsendem Antisemitismus entgegenzutreten. Die evangelische Kirche wolle das tun, sicherte Stadtdekan Holger Kamlah den Jugendlichen zu, die zum Abschluss der Kundgebung ins Dominikanerkloster kamen, wo die evangelische Kirche ihren Sitz hat. „Ihr seid die Zukunft“, gab Rabbiner Julian-Chaim Soussan den Jugendlichen mit auf den Weg.