Hinschauen: Austellung von Parastou Forouhar in der Epiphaniaskirche
Schon der Titel „Vor aller Augen“ der Ausstellung von Parastou Forouhar in der Epiphaniaskirche, Oeder Weg/Ecke Holzhausenstraße, ist vieldeutig. Doppeldeutig wäre zu wenig gesagt. Hinter dem Altar des Gotteshauses am Rande des Holzhausenviertels hat die aus dem Iran stammende Künstlerin einen Kubus platziert, tapeziert mit Augen – über und über. Gestaltet in Schwarz-Weiß am Computer. Auf den ersten Blick ein Muster. Und doch viel mehr. Am Sonntag, 21. Oktober wird die Ausstellung im 10-Gottesdienst erstmals zu sehen sein. Die offizielle Eröffnung des Kooperationsprojektes von Evangelischer Akademie Frankfurt und Sankt Petersgemeinde beginnt um 11 Uhr.
Aug in Aug begegnen Gemeinde und Publikum dann erstmals dem Werk. Scheinbar gleichförmig heben sich die Sehorgane ellipsenförmig vom weißen Grund ab. Bei näherer Betrachtung gruppieren sich die Augen zu Figuren: Kauernd, scheinbar taumelnd, entsteht aus der Anordnung ein Muster gewalthafter Darstellungen. An anderen Orten hat Forouhar, deren Eltern, bekannte Oppositionspolitiker, im Iran 1998 ermordet wurden, Schmetterlinge zu Formationen von Gewalt gruppiert.
Kunst im Kirchenraum
Das Aufeinandertreffen von Schönheit und Gewalt sei gewollt, nichts Eindeutiges hat die 1962 Geborene bei ihren Werken im Sinn. „Dekorativ“ – das Wort gefällt ihr nicht im Zusammenhang mit den Augen. „Schönheit“, setzt die Künstlerin, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, gegen Gewalt. Schönheit angesichts von Grauen zuzulassen, diese Spannung auszuhalten, ist ihr ein Anliegen. Wer glaubt, es handele sich um Tapeten mit Ornamenten, hat nicht recht hingeschaut. Ohne Referenzen auf Politik und Gesellschaft ist ihr Werk nicht denkbar. „Vor aller Augen“ - gemeint ist das in der Ausstellung in der Epiphaniaskirche auch in dem Sinn, das uns aus aller Welt Schreckensbilder erreichen, vielfach übers Internet verbreitet. Wegschauen wird dadurch schwerer. Wir können wissen, was geschieht, die Botschaft kommt über visuell geprägte Kanäle.
Dieser Tage, erinnern wir uns an die Pogromnacht, die vor 80 Jahren zum Fanal der Judenvernichtung in Deutschland wurde. Die Verbrechen geschahen „vor aller Augen“. Vor 2000 Jahren wurden vor aller Augen als Verbrecher Verurteilte an Kreuze genagelt. Im Gemeindebrief der Sankt Petersgemeinde, zu der die Epiphaniaskirche gehört, heißt es: „Kirche ist ein Ort der Erinnerungskultur. Das Schreckliche wird angesehen, weil man weiß, nur so kann man lernen und weiterkommen.“ Unumwunden steht in dem Text auch, das Parastou Forouhar mit dem Religiösen eher kritisch umgeht. Sie beziehe sich auf den Kirchenraum, der tapezierte Kubus sei aber auch ein wenig schräg gestellt, er trete sozusagen in einen Dialog mit dem Raum, erzählt sie im Gespräch.
Gewaltexzesse und Poesie
Pfarrer Andreas Hoffmann saß dieser Tage mit der Künstlerin in der Oktobersonne auf den Stufen der Epiphaniaskirche. Der Theologe, der zugleich auch studierter Bildhauer ist und in Frankfurt einige Jahre als sogenannter Museumsuferpfarrer arbeitete, erzählte ihr von der Bibelpassage, die er seiner Predigt am kommenden Sonntag zugrunde legt. Im Kapitel 28 des ersten Buch Mose wird geschildert, wie Jakob unterwegs auf einem Stein ruhend, gen Himmel schaut: „Eine Leiter stand auf der Erde, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder“ – über diesen Text seien sie intensiv ins Gespräch gekommen, erzählt Hoffmann. Den Kopf hart gebettet, im Traum das Schöne schauend – ein Missverhältnis, das Forouhar sicher nicht weg retuschieren will.
Christian Kaufmann, stellvertretender Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt am Main und dort Studienleiter für Kunst und Stadt, realisiert zum vierten Mal eine Ausstellung mit der im Rhein-Main-Gebiet wohnenden Parastou Forouhar. Er findet: „Viele ihrer Motive sind von drastischen Gewaltexzessen geprägt. Zugleich aber haftet ihnen eine erschreckende Poesie, Transzendenz und Ästhetik an, die uns auf eine ganz merkwürdige Weise anzieht und gleichzeitig abstößt. Einen ,Dazwischenraum' auslöst, der mir typisch für Kunst zu sein scheint.“
Sonntag, 4. November 2018, 11.30 Uhr, Matinee „Kunst und Freiheit“ Parastou Forouhar im Gespräch mit Hannah Jacobi (Kunsthistorikerin, Berlin und Herausgeberin von „Stimmen aus Teheran", Edition Faust, 2017)
Zu sehen ist die Ausstellung bis zum Ewigkeitssonntag, 25. November 2018.
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