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Geschichten des Gelingens gegen den Rechtsruck

„Rechtsruck in Deutschland – Was tun?“ heißt ein neues Veranstaltungsformat in der Gemeinde Frankfurt-Bockenheim. Beim Auftakt erklärte Pfarrerin Charlotte Eisenberg, die Kirche solle ein „Ort der Verständigung und des Austausches“ werden.

Pfarrerin Charlotte Eisenberg (rechts), die Journalistin und Buchautorin Verena Carl (2. von rechts) und Diakoniepfarrer Markus Eisele (2. von links) beim Auftakt der Reihe "Rechtsruck in Deutschland". | Foto: Rolf Oeser
Pfarrerin Charlotte Eisenberg (rechts), die Journalistin und Buchautorin Verena Carl (2. von rechts) und Diakoniepfarrer Markus Eisele (2. von links) beim Auftakt der Reihe "Rechtsruck in Deutschland". | Foto: Rolf Oeser

Auf den Bistrotischen unter der Orgelempore brennen Teelichter, dazu gibt es Knabbereien: Die einladende Atmosphäre kontrastierte bei der Auftaktveranstaltung im November mit dem ernsten Thema des neuen Gemeindeformats in der evangelischen Jakobskirche Frankfurt-Bockenheim. Bei einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Rechtsruck in Deutschland – Was tun?“ soll die Kirche, so Pfarrerin Charlotte Eisenberg, „ein Ort der Verständigung und des Austausches sein“.

Beim ersten Abend ging es um die Frage, warum Menschen rechtsextreme Parteien wählen. Die Journalistin Verena Carl, Autorin von „Anders wird gut – Berichte aus der Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhaltes“, und Markus Eisele, Leiter der Diakonie Frankfurt und Offenbach, präsentierten ihre Analysen. Anschließend konnten sich die Zuhörer:innen Thesen zuordnen, die an Stellwänden im Kirchraum standen. So kamen sie miteinander ins Gespräch über eigene Erfahrungen mit Demokratiefeindlichkeit, Hass oder Rechtsextremismus und diskutierten mögliche Reaktionen darauf.

Verena Carl berichtete, dass Menschen, die die AfD wählen, meist männlich, ostdeutsch und ländlich seien. In Westdeutschland lebten sie oft in industriellen Gegenden. Diese Männer seien größtenteils zwischen 35 und 39 Jahren alt, doch in Thüringen und Sachsen sei bei den letzten Kommunalwahlen ein Drittel unter 30 gewesen. Die meisten hätten einen mittleren Bildungsabschluss, 75 Prozent seien Angestellte, Rentner und Selbstständige. Ältere fühlten sich von Veränderungen erschöpft, während Jüngere Zukunftsängste hätten. Rechtsextreme Parteien versprächen Sicherheit und werteten veraltete Lebensentwürfe auf, etwa „Echte Männer sind rechts“ oder „Deutschland. Aber normal. “ Sie inszenierten sich als Kümmerer und verharmlosten die Herausforderungen des Klimawandels. Geschickt nutzten sie soziale Medien, um ihre einfachen Botschaften zu verbreiten. Helfen könne es, neue Räume zu schaffen, sei es im Gemeindesaal oder bei TikTok. Gemeinsame Aktivitäten ermöglichten Gespräche mit politisch Andersdenkenden. Wichtig sei auch, die eigene Kommunikation zu schulen. Neue Formen politischer Beteiligung und konstruktiver Journalismus müssten entstehen.

Markus Eisele betonte, man dürfe rechtsextreme Wähler:innen nicht pathologisieren. Stattdessen solle man denen zuhören, die sich abgehängt und einsam fühlten, und ihre berechtigten Bedürfnisse ernst nehmen. Die vielen Krisen der vergangenen Jahre hätten die Gesellschaft tief verunsichert. Mit dem Soziologen Armin Nassehi sprach er sich für kleine Schritte im Transformationsprozess aus. Kirche und Diakonie sollten Geschichten des Gelingens erzählen. Angesichts von Armut, Flucht und Vertreibung müssten sie von Engagement, Nächstenliebe und Solidarität berichten. „Glaube, Liebe, Hoffnung: Das ist ein Weltkulturerbe“, sagte Eisele. „Dieser Kraft müssen wir uns wieder bewusst werden. “

Die Gemeinde Bockenheim setzt das Format aus Vortrag und Gespräch in 2025 fort. Am 31. Januar sprechen Axel Kaufman (CDU) vom Bockenheimer Ortsbeirat und Hibba Kausar, Juso-Vorsitzende aus Offenbach) über „Vielfalt - Was ist das eigentlich?". Am 21. März geht es um das Thema „Words have Power – die Macht der Sprache“ mit dem Linguisten Fabian Deus und dem Politikwissenschaftlicher Matthias Blöser, Referent des Projekts „Demokratie stärken“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Am 23. Mai lautet das Thema „Abschiebung – Hintergründe und Realitäten“ mit Barbara Lüken, Beraterin für Geflüchtete der Diakonie Frankfurt und Offenbach, sowie Marianne Rippel, der Leiterin der Flüchtlingsunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes am Sportcampus Bockenheim.

Außerdem begleitet eine Gottesdienstreihe mit Gastprediger:innen das Projekt. Am 2. Februar spricht Tasfir Chen, Geschäftsführer von Medico International, am 9. März Oberbürgermeister Mike Josef, am 16. März der katholische Dompfarrer Johannes zu Eltz, am 30. März Henriette Crüwell, Pröpstin von Rheinhessen und Nassauer Land, und am 18. Mai Christiane Tietz, die neue Kirchenpräsidentin der EKHN. Geplant ist außerdem eine Ausstellung des Vereins „Unwort-Bilder“, die sich fotografisch mit dem zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft auseinandersetzt.


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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