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Gedenken in der Weißfrauen Diakoniekirche

Angehörige und Bekannte Wohnungsloser erinnern in einem Gottesdienst noch einmal an die Verstorbenen.

Erinnern an vertraute Menschen | Foto: Susanne Schmidt-Lüer
Erinnern an vertraute Menschen | Foto: Susanne Schmidt-Lüer

Lars wirft einen grünen Zettel in die Feuerschale im Hof des WESER5 Diakoniezentrums. Langsam verbrennt, was draufstand. Vielleicht hat er einen letzten Gruß an Walter geschrieben, der im September verstorben ist, und den alle kannten, die regelmäßig in den Tagestreff der Diakonie im Bahnhofsviertel kommen. Walter, der 52 Jahre alt wurde, immer wieder auf der Straße lebte, und im Hospiz verstarb.

Der Trauer einen Ort geben
Zum ersten Mal hat das WESER5 Diakoniezentrum am 16. November zu einem Gottesdienst in die Weißfrauen Diakoniekirche eingeladen, während dem obdachlose und wohnungslose Menschen um ihre Lieben trauern können. Angehörige, Freunde, Bekannte und Mitarbeitende des WESER5 Diakoniezentrums sind in der Diakoniekirche zusammengekommen.

Texte aus der Offenbarung
Männer und Frauen mit Rollkoffern oder Einkaufs-Trolleys nehmen in den hinteren Reihen Platz, es ist kalt, die meisten behalten ihre Mützen auf. Sie hören Orgelmusik und Texte, die Mitarbeiter:innen des WESER5 Diakoniezentrums und ein wohnungsloser Mann auf Deutsch, Englisch und Französisch vortragen. Texte, die sich auf die Offenbarung beziehen.

Leben mit dem Tod
Wie ist das, wenn einem der Tod nahekommt, fragt Gunter Volz, Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach in seiner Predigt. Und er erinnert daran, was so bitter ist im Angesicht des Todes: „Er lässt uns verstummen, wenn wir eine Todesnachricht hören, er bricht auch in mein Leben ein, das schmerzt, tut weh, ist bitter.“ Männer und Frauen hören zu, zum Teil auf den Stuhl vor sich gelehnt, das Gepäck in Reichweite. Einige husten „Wir würden so gerne wollen, dass nicht geschehen ist, was geschah“, sagt Gunter Volz und fragt: „Wie können wir mit dem Tod leben?“ Als Antwort zitiert er aus der Offenbarung: „Gott wird abwischen alle ihre Tränen, der Tod wird nicht mehr sein.“

Es riecht nach Feuer
Auf den Stühlen in der Diakoniekirche liegen kleine bunte Blätter und Stifte, die Gäste des Gottesdienstes sind eingeladen, die Namen der Toten aufzuschreiben, an die sie erinnern wollen und Gedanken, die sie ihnen auf den Weg mitgeben wollen, bevor sich die Zettel draußen in der Feuerschale in Rauch auflösen. Ein Mann mit kurzen Haaren und blauem Anorak fragt seine Sitznachbarin, was er mit dem Zettel machen soll, ob er auch auf Kroatisch schreiben dürfe. Viele, die vielleicht schon länger nichts mehr aufgeschrieben haben, schreiben zur Seite geneigt, der Nachbarstuhl dient als Unterlage. Durch die Kirchentür ist schon das Feuer zu riechen.

Streuselkuchen und Kaffee
Draußen gibt es Streuselkuchen und Kaffee, viele sind in den Innenhof gekommen. „Einige hat das Gedenken sehr gerührt“, sagt Katrin Wilhelm, die Leiterin des WESER5 Diakoniezentrums. „Es ist gut, auch für die Mitarbeiter:innen, die die Verstorbenen kannten, dem Erinnern und der Trauer Platz zu geben.“ 122 Obdachlose und Drogenabhängige sind in Frankfurt in der Zeit vom 1. November 2021 bis zum 31.Oktober 2022 gestorben. Offiziell wurde ihrer am 2. November mit einem Gottesdienst in der Sankt Katharinenkirche gedacht. Katrin Wilhelm sagt, dass Menschen, die auf der Straße leben, „größere Angst vor dem Tod haben als wir, er ist näher, er trifft ihre Bekannten viel öfter.“


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Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.