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Europawahlveranstaltung der Diakonie für Menschen ohne festen Wohnsitz

Stimmabgabe am 9. Juni: Eine Kooperationsveranstaltung in der Weißfrauen Diakoniekirche informierte über die Voraussetzungen und Möglichkeiten mit dabei zu sein.

Michael Dahmen (re) und Karsten Dunzweiler rufen in der Weißfrauen Diakoniekirche dazu auf, bei der Europawahl abzustimmen. I Foto: Susanne Schmidt-Lüer
Michael Dahmen (re) und Karsten Dunzweiler rufen in der Weißfrauen Diakoniekirche dazu auf, bei der Europawahl abzustimmen. I Foto: Susanne Schmidt-Lüer

Der Mann mit Jeansjacke, dunklem Kapuzenpulli und schweren Taschen über der Schulter schaut sich suchend um in der Weißfrauen Diakoniekirche. Heute will er wissen, wie er bei der Europawahl abstimmen kann, auch ohne festen Wohnsitz. Der Mann, der sich als „John“ vorstellt und mal in Frankreich und mal in Polen gelebt hat, sagt: „Ich möchte meine Stimme abgeben.“ Zurzeit lebt er auf der Straße, „ein Zimmer zum Wohnen“ sucht er dringend.

Auch Angelo ist zur Informationsveranstaltung über die Europawahl des WESER5 Diakoniezentrums, der Diakonie Hessen und des ArmutsNetzwerks gekommen, die von der Glücksspirale unterstützt worden ist. Vor fünf Jahren, bei der letzten Europawahl, sagt Angelo, „war es bei mir noch anders“. Damals lebte er in einer Wohnung. Heute, sagt er, hätte er ohne die Veranstaltung noch nicht einmal gewusst, wann die Europawahl ist.

Rund 30 Interessierte aus ganz verschiedenen Zusammenhängen sind an diesem Nachmittag in die Weißfrauen Diakoniekirche gekommen. Unter ihnen auch Michael Dahmen und Karsten Dunzweiler, Beide waren früher selbst obdachlos, Michael Dahmen engagiert sich heute im ObdachlosenExpress in Darmstadt, Karsten Dunzweiler im ArmutsNetzwerk. Beide erzählen den Zuhörenden vor den goldenen Sternen der Europaflagge, warum es so wichtig ist, wählen zu gehen: „Wenn ich nicht wählen gehe, entscheiden andere“, sagt Dunzweiler. „Wählen heißt, Verantwortung zu übernehmen“, ergänzt Dahmen und: „Wenn ich darauf verzichte, wählen zu gehen, verzichte ich darauf, meine eigene Zukunft zu gestalten.“

Aber wie gelingt das Menschen ohne festen Wohnsitz? Zwei Mitarbeiter des städtischen Wahlamtes sind in die Diakoniekirche gekommen, um das zu erklären. Es ist der zweite Anlauf. Beim ersten Mal, an einem anderen Ort, kam niemand. Ihre wichtigste Botschaft: Alle, die Staatsbürger:in der Europäischen Union und mindestens 16 Jahre alt sind, dürfen wählen. Auch ohne Wohnsitz. Aber sie benötigen einen Eintrag im Wählerverzeichnis. Voraussetzung dafür ist, dass sie einen Ausweis besitzen und glaubhaft versichern, dass sie seit mindestens drei Monaten in der EU leben. Ab dem 29. April können sie persönlich ins Briefwahllokal an der Stiftstraße 29 beim Eschenheimer Tor kommen. Einen Termin brauchen sie nicht, der Eintrag ins Wählerverzeichnis ist kostenlos und anschließend ist im Briefwahllokal direkt die Stimmabgabe möglich.

Angelo findet das gut, nicht zweimal loszumüssen. Einen Ausweis hat er auch. Diesmal, bei der Europawahl, will er mitmachen. Eine Wahl hat er schon verpasst, sagt er ärgerlich, „jetzt weiß ich Bescheid.“

Der Eintrag ins Wählerverzeichnis, der bis zum 17. Mai im persönlichen Gespräch im Briefwahllokal möglich ist, gilt allerdings nur für die Europawahl. An der Kommunalwahl teilzunehmen ist Menschen ohne Wohnsitz nicht möglich. Eine Frau aus dem Publikum fragt nach, warum das nicht geht. „Landesgesetz“, sagt der junge Mann vom Wahlamt. Auf die Frage eines Zuhörenden, wen er denn wählen soll, schüttelt der städtische Mitarbeiter lächelnd den Kopf: „Das darf ich nicht sagen“.

Die Tabletts mit Kuchen und Brezeln sind inzwischen leer. Michael Dahmen und Karsten Dunzweiler schenken sich noch einen Kaffee ein. Warum er extra aus Darmstadt gekommen ist, um andere zum Wählen zu motivieren? „Aus Wertschätzung für Wohnungslose“, sagt Dunzweiler, „es ist eine heikle Sache, obdachlos zu werden.“ Er weiß, wovon er spricht.


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Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.