Eine denkwürdige Premiere
Gestern trafen sich erstmals in der jüdisch-christlichen Geschichte Frankfurts die Rabbiner der Jüdischen Gemeinde und Pfarrerinnen und Pfarrer des Evangelischen Stadtdekanates zum theologischen Austausch - so berichtet Susanna Faust Kallenberg, Pfarrerin für Interreligiösen Dialog beim Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach. Fünf Stunden ging es darum, sich nicht nur persönlich, sondern auch theologisch besser kennenzulernen. An dem Gespräch nahmen Rabbiner Avichai Apel und Rabbiner Julian-Chaim Soussan für die Jüdische Gemeinde teil. Das Stadtdekanat war vertreten durch Stadtdekan Achim Knecht und die beiden Prodekane Ursula Schoen und Holger Kamlah und die Pfarrpersonen Christoph Rahlwes, Gisela Egler-Köksal, Silke Alves-Christe, Anja Harzke, Ulrich Schaffert, Thomas Sinning, Melanie Lohwasser, David Schnell, Rüdiger Kohl und Christine Streck-Spahlinger. Von evangelischer Seite aus organisiert und moderiert wurde das Treffen von Faust Kallenberg.
Wie interpretiert ein jüdischer Rabbiner Psalm 33,12 (Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!) und wie verstehen evangelische Pfarrpersonen denselben Psalm? Wo für die christlichen Kollegen überraschend Rabbiner Soussan eine Öffnung vom Partikularen zum Universalen aus dem Kontext dieses Psalms ableitete, da berichtete Pfarrer David Schnell davon, wie schwer der Weg der evangelischen Kirche vom Jerusalem- zum Israelsonntag und von der Enterbungstheorie zu der Erkenntnis war, dass das in Psalm 33,12 angesprochene Volk Gottes einen besonderen Bund mit ihm hat, der unkündbar ist.
Ein weiteres Thema, das alle beschäftigte, war das Rollenverständnis von Rabbinern und Pfarrpersonen. Auf den ersten Blick gab es da viele Gemeinsamkeiten. Doch auch die Unterschiede traten deutlich zutage. Rabbiner sind als Angestellte des Gemeindevorstands von jeder Verwaltungsarbeit befreit und können sich vollständig auf den Kultus konzentrieren, evangelische Pfarrpersonen müssen immer alles machen und alles sein: Kultusverwalter und Managerin zugleich. Welches Arbeitsmodell sich für einen Geistlichen besser eignet, blieb offen.
Das dritte Thema dieses Vormittages betraf den Dialog an sich. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich sowohl auf evangelischer als auch auf jüdisch-orthodoxer Seite viel verändert. An diesem Morgen stellten sich alle Beteiligten die Frage, was bedeuten diese wichtigen Dokumente für unsere Theologie und wie können wir diese umwälzenden Erfahrungen des Dialoges an der Basis umsetzen? Bei diesem Treffen zeigte sich vor allem, dass die direkte Begegnung durch nichts zu ersetzen ist und dass das Gespräch weitergehen muss. Und so bedankte sich Stadtdekan Achim Knecht bei den beiden Gastgebern Rabbiner Avichai Apel und Rabbiner Julian Chaim Soussan mit einer Gegeneinladung ins Dominikanerkloster.