Eine Arbeitsgruppe reagiert regional auf Missbrauchsstudie
Jugendarbeit und die Wahl eines neuen Vorstandsmitglieds gehörten zur Tagesordnung der gestrigen Sitzung des evangelischen Kirchenparlaments von Frankfurt und Offenbach. Ein weiteres Thema der Sitzung von Regionalversammlung und Stadtsynode im Frankfurter Dominikanerkloster waren die anstehenden Konsequenzen aus der ForuM-Studie.
Eingangs ging Stadtdekan Holger Kamlah in seinem Bericht auf die im Januar veröffentlichte bundesweite Untersuchung „zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ ein. Die Zahl der Betroffenen, das Ausmaß und die Häufigkeit sexualisierter Gewalt seien „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ mit der katholischen Kirche vergleichbar. „Die systemischen Ursachen sind zum Teil ähnlich, zum Teil nicht“, so Kamlah in seinem Statement zu der Untersuchung.
Zu den typisch evangelischen Ursachen, die die ForuM-Studie nenne, zählte Kamlah: Verantwortungsdiffusion in einer bewusst dezentralen Kirche. Und: Anders als in der katholischen Kirche sei das Verständnis pastoraler Macht in der evangelischen Kirche aber nicht minder problematisch. Erschreckend sei, sagte der Stadtdekan, das in der ForuM-Studie dargelegte nicht Ernstnehmen der Betroffenen. Im Sinne der Rechtfertigungslehre werde sehr schnell eingefordert, Betroffene sollten den Tätern vergeben.
Holger Kamlah bat ausdrücklich darum, das vorhandene Kinderschutzkonzept der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach zu nutzen. Zugleich wies er auf eine sich im Stadtdekanat und dem Regionalverband bildende Projektgruppe hin, die sich der Aufklärung, Aufarbeitung, Prävention und Information widmen soll. Analog zu dem Vorgehen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) werde sie in nächster Zeit aufgebaut, erläuterte Markus Eisele, Theologischer Geschäftsführer und Fachbereicheleiter des Evangelischen Regionalverbandes. Auch ein Betroffener sei einbezogen, erläuterte Eisele. Den Betroffenen Aufmerksamkeit und dem Thema Sorgfalt zu widmen, sei zentral, äußerte der Diakoniepfarrer.
Über die Frage, welche Rolle es spiele, dass in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) die Personalakten nicht für die Untersuchung zur Verfügung standen, sondern allein die Disziplinar- und Beschwerdeakten Grundlage waren, wurde seitens des Plenums debattiert. Es hätten auch die Personalakten zur Verfügung gestellt werden müssen: „Ich verstehe nicht, dass dafür nicht das Geld in die Hand genommen wurde“, lautete ein Statement. Eine Juristin wand ein, das rechtlich Relevante stehe in den Unterlagen, die bereitgestellt wurden. Ein anderer Aspekt, der in der gestrigen Debatte über die ForuM-Studie aufgegriffen wurde: „Da geht es um Machtfragen und die muss man aufarbeiten.“
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Prozess ekhn2030
Hoffnungen, dass die Landeskirche, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, noch einmal die Raumvorgaben bei dem Reformprozess ekhn2030 revidiert, erteilte Stadtdekan Holger Kamlah eine Absage, das sei beschlossen. Zusammen mit Prodekanin Amina Bruch-Cincar, die in ihrem Zuständigkeitsbereich Frankfurt-Süd-Ost und Offenbach mit Bauabteilungs- und Gemeindevertreter:innen derzeit die zukünftigen Nachbarschaftsräume besichtigt, warb er für Vertrauen, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen bei den Planungen, welche Flächen erhalten und welche abgegeben werden müssen, eine wichtige Rolle spielen.
Ausdrücklich dankte Kamlah bei der Tagung im Großen Saal des Frankfurter Dominikanerklosters Piet Henningsen, Geschäftsführer des Evangelischen Jugendwerks (EJW), und Jessica Kogoj, Stadtjugendreferentin im Evangelischen Stadtjugendpfarramt, für die vorgestellte Umfrage und den Bericht zu den Bedarfen von Kindern und Jugendlichen.
Im Zeitraum Juli bis September 2023 hatten 207 Personen zwischen sieben und 27 Jahren an einer Online-Befragung teilgenommen. Befragt wurde in Frankfurt und Offenbach im Umfeld von Werken und Verbänden, Jugendvertretungen, auch Konfirmand:innen meldeten sich zu Wort, aus der Jugendberufshilfe, die der Evangelische Verein für Jugendsozialarbeit verantwortet, kamen Rückmeldungen.
53 Prozent gaben an, christliche Angebote zu nutzen, 63 Prozent schätzen die Möglichkeit, über Glaube und Religion zu reden, 48 Prozent engagieren sich ehrenamtlich. „Die landen aber keineswegs alle im Kirchenvorstand“, so Henningsen.
Für alle Jugendlichen seien in dieser Lebensphase Freiräume entscheidend, Gemeinden böten das, in Räumen und mit Außenflächen. Für 73 Prozent der Jugendlichen ist es laut der Befragung wichtig, dass sie in 15, maximal 20 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Jugendräume erreichen. 90 Prozent gaben an, sie fühlten sich in den Jugendräumen wertgeschätzt, 58 Prozent „fühlen sich wie zuhause“. „Wir müssen Kinder und Jugendliche mit ihren Bedürfnissen ernst nehmen, um die Kirche von morgen sicherzustellen“, hieß es in der Präsentation von Kogoj und Henningsen.
Die beiden stießen im Plenum auf große Unterstützung. Katja Föhrenbach aus der Evangelischen Lydiagemeinde, Praunheim, Hausen, sprach an, dass Kirchen unter der Woche oft leer stehen, auch da sei über eine Nutzung für Kinder und Jugendliche nachzudenken. Cornelius Boy, Leiter der Abteilung Bau, Liegenschaften und Hausverwaltung des Evangelischen Regionalverbandes, wollte keine „Hausmarke“ nennen, wieviel Quadratmeter jeweils für Kinder- und Jugendarbeit vorgesehen sein werden, sagte aber, „wir unterstützen gerne sinnvolle Konzepte“ – und: „innovative Konzepte“.
Wahl eines neuen Vorstandsmitgliedes/Abnahme Jahresrechnung
Christian Schulte, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Bornheim, wurde in den Vorstand der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach gewählt. Ein Posten in dem 13 Sitze umfassenden Gremium war vakant geworden, nachdem Pfarrerin Stefanie Brauer-Noss zur Prodekanin gewählt wurde. Der 45-Jährige, von 2016 bis 2021 Stadtjugendpfarrer, setzte sich in einer Stichwahl mit 51 zu 43 Stimmen gegen Pfarrerin Tina Greitemann aus der Dornbuschgemeinde durch – bei drei Enthaltungen und drei ungültigen Stimmen. Ein dritter Kandidat war bereits in der ersten Runde ausgeschieden.
Einstimmig beschlossen wurde – bei Enthaltung der Betroffenen – die Abnahme der Jahresrechnung des Stadtdekanats für das Haushaltsjahr 2022.