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Ein Jahr Deutschland: Nisha Jacob ist „Süd-Nord-Freiwillige“ in der Dreifaltigkeitsgemeinde

Nisha Jacob aus Südindien ist für ein Jahr als „Süd-Nord-Freiwillige“ in der Frankfurter Dreifaltigkeitsgemeinde. Sie interessiert sich dafür, wie soziale Arbeit in Deutschland organisiert ist, wird aber auch Vorträge über ihr Land halten, einen Krabbelkreis leiten und alte Menschen im Alltag unterstützen.

Nisha Jacob mit Pfarrer Tobias Völger in der Dreifaltigkeitsgemeinde. | Foto: Stephanie von Selchow
Nisha Jacob mit Pfarrer Tobias Völger in der Dreifaltigkeitsgemeinde. | Foto: Stephanie von Selchow

Wenn Nisha Jacob von ihrer Arbeit mit benachteiligten Mädchen in Tamil Nadu, dem „Land der Tamilen“ im Süden Indiens erzählt, spürt man, dass sie mit dem Herzen dabei ist: Ihr Arbeitgeber, die gemeinnützige Stiftung „Hope House“ betreibt dort ein Kinderheim für vernachlässigte oder missbrauchte Kinder. Während der Coronazeit haben Jacob und andere Mitarbeiter:innen von Hope House Essen an Straßenkinder ausgegeben und sogar angefangen, sie zu beschulen. Sie sagt, sie liebt es, ihre handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten in ihre Arbeit mit Kindern einfließen zu lassen.

Jetzt hat die 25-jährige Inderin, die einen Bachelor in Mathematik und einen Master in sozialer Arbeit hat, ihren Einsatzort gewechselt: Ein Jahr lang wird sie als „Süd-Nord-Freiwillige“ die Arbeit der Frankfurter Dreifaltigkeitsgemeinde in der Kuhwaldsiedlung/Rebstock unterstützen. Aus dieser Gemeinde ist schon vor Jahren der Verein Deutsch-Indische-Zusammenarbeit hervorgegangen (D.I.Z.), der jetzt von Jona Dohrmann geleitet wird. Eines seiner erklärten Ziele ist es, Frauen und Mädchen zu stärken.

Pfarrer Tobias Völger will dafür sorgen, dass Jacob soziale Einrichtungen in Frankfurt kennenlernt, etwa aus der Jugendsozialarbeit oder der Obdachlosenhilfe, denn sie interessiert sich dafür, wie soziale Arbeit bei in Deutschland organisiert ist. Außerdem soll sie bei Ausflügen in die Umgebung mehr von Deutschland kennenlernen. Weiterhin will sie in der Gemeinde Vorträge über ihre Heimat und das Leben dort halten. Zwei Gemeindemitglieder üben bereits Deutsch mit ihr, sie hatte aber auch in Indien bereits Kurse belegt. Schließlich wird Jacob den Krabbelkreis im Europaviertel, Pariser Straße 6, leiten und alte Menschen und Familien im Alltag unterstützen. „Viele ältere Menschen sind hier einsam“, sagt sie. „Aber es ist so interessant für mich, mich mit ihnen zu unterhalten.“

Es war für Nisha Jacob gar nicht so leicht, ihre Eltern von einem einjährigen Auslandsaufenthalt zu überzeugen. Traditionell sollen Frauen in Indien früh heiraten. Aber sie ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen: Sie hatte bereits Nord-Süd-Freiwillige kennengelernt und wusste, dass ein Aufenthalt in Deutschland ihren Horizont erweitern würde. Sie möchte die deutsche Gesellschaft und Frankfurt kennenlernen, Gemeinde und christliche Gemeinschaft erleben und sich auch geistlich weiterentwickeln, wie sie erzählt: „Schließlich haben meine Eltern wohl gespürt, dass es mir wirklich ernst ist. Jetzt unterstützen sie mich.“

Dann kam auch noch Corona und machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich hätte Jacob schon im Januar kommen sollen, zweimal musste die Anreise verschoben werden, bis sie schließlich am 30. Juli am Flughafen Frankfurt ankam. Als Erstes fiel ihr auf, wie still Deutschland ist, was nicht nur daran lag, dass sie erst einmal fünf Tage in Quarantäne musste. Neu war für sie auch, dass es abends nicht plötzlich dunkel wird wie in Indien, sondern dass es eine Abend- und Morgendämmerung gibt. Überrascht ist Jacob auch, dass sonntags so wenige Menschen in den Gottesdienst gehen. In Kirchen in Südindien seien die Gottesdienste immer voll, erzählt Nisha. Dort sind etwa sechs Prozent der Bevölkerung christlich, in ganz Indien nur etwas mehr als zwei Prozent.

Jacobs Einsatzstelle als „Süd-Nord-Bufdi“ (Bundesfreiwilligendienst) wird zu drei Vierteln von der D.I.Z. finanziert, die wiederum Zuschüsse vom Entwicklungsministerium erhält. Das fehlende Viertel von 4500 Euro generiert die Gemeinde über Spenden.


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.