Christian Kaufmann verlässt die Evangelische Akademie
„Ich wechsle ja nur die Straßenseite“, sagt Christian Kaufmann zum Abschied, und das stimmt natürlich – denn die 1912 gegründete Heussenstamm-Stiftung, die sich der Unterstützung bedürftiger Personen und der Förderung von Künstlerinnen und Künstlern widmet, hat ihren Sitz tatsächlich nur einen Steinwurf vom Römerberg entfernt in der Braubachstraße. Das ändert allerdings nichts daran, dass Kaufmann in der Evangelischen Akademie Frankfurt eine spürbare Lücke hinterlassen wird. Als Studienleiter für Kultur, Medien, Kunst und Stadt hat er das Gesicht der Akademie 17 Jahre lang maßgeblich mitgeprägt.
Durch sein interdisziplinäres Arbeiten holte Kaufmann die unterschiedlichsten Menschen in die Akademie und trieb die Öffnung nach Außen voran. „Mir geht es um die Verknüpfung von Kunst, Raum und Stadt, um die Schnittstellen zwischen Kunst und sozialen Themen“, beschreibt er seinen Ansatz, der häufig in ungewöhnliche und weitreichende Projekte mündete.
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm das experimentelle Kulturprojekt „entlang der mainzer“. 2012 erkundeten hier Kunstschaffende, Wissenschaftler, Vereine und Anwohnerinnen die sozialen Orte, die die acht Kilometer lange Mainzer Landstraße säumen. Bei unzähligen Veranstaltungen, Ausstellungen, Workshops und Aktionen standen einen Monat lang die Lebensrealitäten einer Straße im Mittelpunkt, die im schicken Bankenviertel beginnt, durch Rotlicht- und Bahnhofsmilieu, Arbeiterviertel und Niemandsland führt, bis sie im dörflichen Nied endet.
Es war das aufwändigste, doch bei weitem nicht das einzige Projekt, mit dem Christian Kaufmann der Evangelischen Akademie in der Stadt Bekanntheit und Renommee verschaffte. Hunderte von Kunstaktionen hat er initiiert, meist wurden sie von reflektierenden Vortragsreihen begleitet. Die konstruktiven Bögen, die der 53-Jährige hierbei zwischen Kunst und Religion schlug, sprachen auch viele kirchenferne Menschen an. Viele dieser Projekte fanden auch dezentral in Kirchengemeinden statt, etwa die alljährlichen Ausstellungen in der Epiphaniaskirche im Nordend. Zum Reformationsjubiläum etwa wurde die Kirche unter dem Titel „Baustelle. Gott haftet für seine Kinder“ von der Außenfassade bis zum Innenraum zur Baustellte umgestaltetet, wie sich Pfarrer Andreas Hoffmann erinnert.
„Eine Akademie ohne Christian ist schwer vorstellbar“, betonte denn auch Akademiedirektor Thorsten Latzel bei der Verabschiedung. Mit Christian Kaufmann gehe nicht nur der stellvertretende Direktor, sondern ein „Netzwerker mit besonderem Sinn für Ästhetik, Farben und Form“, sowie ein Kollege, der den „Horizont der Akademie sehr erweitert hat und großen Anteil an ihrem heutigen Erscheinungsbild besitzt“.
Christian Kaufmann trat seine Stelle 2002 an, in Zeiten, in denen sich die Frankfurter Kirche inhaltlich und räumlich umstrukturierte. So trieb er den Umzug vom bescheidenen Domizil im Dominikanerkloster an den Römerberg ebenso voran wie die Umformung der Stadtakademie Römer 9 zur Evangelischen Akademie mit repräsentativer Wirkungsstätte. Für die zweijährige Umbauphase rief er das „Büro für Veränderung“ ins Leben, das nach dem Berg-Prophet-Prinzip die Akademie in die Stadtteile brachte. Während dieser Wanderschaft wurden viele Kooperationen ausgebaut und neue Wege beschritten.
Neue Wege legte Christian Kaufmann auch in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an. Gemeinsam mit Markus Zink, dem Referenten für Kunst und Kirche im Zentrum Verkündigung der EKHN, stellte er die „kunstinitiative 2017“ auf die Beine. Um die Auseinandersetzung der Kunst mit religiösen und kirchlichen Themen zu stärken, wurde zum 500. Jahrestag der Reformation in der Landeskirche erstmals ein Kunstpreis ausgelobt, mit dem Projekt wurden Kaufmann und Zink betraut.
Kaufmann hofft, dass es nach seinem Ausscheiden aus der Akademie in Frankfurt weiterhin einen Ort geben wird, an dem die Auseinandersetzung mit Kunst und Kirche eine Rolle spielt. Heute sei es wichtiger denn je sei zu zeigen: „Es gibt noch etwas Anderes als Kommerz.“
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