90 Projekte und Einrichtungen – wie Kinder und Jugendliche sie suchen und brauchen
Edwin Batalla ist professioneller Tänzer und Choreograf. Dass er als Jugendlicher diese Leidenschaft gerade in Frankfurt entdecken würde, konnte der gebürtige Kolumbianer, als er nach Deutschland kam, nicht vorausahnen. In der Mainmetropole lernt er im Nordend und Bornheim schnell sub- und jugendkulturelle Elemente wie beispielsweise Hip-Hop kennen: „Es gab da so einen Film, der hieß „You Got Served", der hat viele inspiriert damals. Wir wollten tanzen lernen, und fragten uns, wo wir zum Üben bloß hingehen sollten.“
„Wir“, das waren Batalla und viele andere Jugendliche, die sich das Angebot von Tanzschulen nicht leisten konnten. „Wenn man kein Geld für seine Leidenschaft investieren kann, dann sucht man sich halt einen Ort, wo es das kostenlos gibt. Das Jugendhaus Heideplatz war dieser Ort für mich, gerade im Winter natürlich“, erinnert sich Batalla.
Jugendliche brauchen Entfaltungsräume
Das Jugendhaus Heideplatz gehört zum Evangelischen Verein für Jugendsozialarbeit in Frankfurt am Main e.V., der in diesem herausfordernden Jahr sein 40-jähriges Jubiläum feiert. Der Verein musste – wie viele andere Träger der Jugendhilfe – mit ganz neuen Ansätzen agieren. In den Lockdown-Phasen stellten sich seine Offenen Einrichtungen wie beispielsweise Jugendhäuser oder auch Angebote in Schulen auf die veränderten Bedingungen um. 2020 wurden Online-Angebote weiterentwickelt, die gastronomischen Ausbildungsbetriebe setzten ihre Arbeit mit neuen Produktionskonzepten fort. Die Mitarbeitenden und Jugendlichen in mehr als 90 Einrichtungen und Projekten passten sich der unbekannten Situation an. „Schon immer hat die stetig wachsende Metropole Frankfurt eine kreative und progressive Haltung verlangt, um allen Frankfurter Kindern und Jugendlichen Wege in ein selbstbestimmtes Leben zu eröffnen“, sagt Miriam Walter, die den Verein seit 20 Jahren als Geschäftsführerin leitet.
Eine Baracke am Bügel
„Mit seiner Gründung folgte der Evangelische Verein einer sich ab den 1960er Jahren öffnenden evangelischen Kirche und rückte somit die Kinder- und Jugendarbeit in den Fokus. Zuvor war diese eher konfessionell ausgerichtet und mit den Kirchengemeinden in Frankfurt am Main verknüpft“, sagt Walter weiter. Eine „Kirche mit Anderen, die in ihrer Werteorientierung das Zusammenleben sucht“, wie es der langjährige Vorstandsvorsitzende Pfarrer Jürgen Mattis vertrat, war von Anfang an Inspiration für die Gründung des Vereins. Miriam Walter sieht dies in der täglichen Arbeit realisiert: „Bildung greifbar in der Lebenswelt von jungen Menschen zu ermöglichen, war immer der Leitgedanke, ob im Graffiti-Workshop oder im beruflichen Kontext, unterstützt durch unsere Angebote.“
Die erste Einrichtung des Vereins war eine Baracke des Jugendclubs am Bügel. In den neu geschaffenen Frankfurter Stadtteilen wurden dann nach und nach Jugendeinrichtungen gegründet und im Laufe der Zeit entwickelten sich zwischen dem Verein und städtischen Schulen tiefgreifende Kooperationen.
„Trotz limitierter finanzieller Mittel wurde Jugendsozialarbeit kreativ gestaltet und eine Vielzahl von Projekten realisiert. Ein Beispiel ist der Lernbetrieb Frankfurt, eine Produktionsschule nach dänischem Vorbild, die Jugendlichen ohne Schulabschluss Zugang in eine Ausbildung ermöglicht“, äußert Walter.
Der Verein ist stetig weitergewachsen und so sind seit dem Jahr 2018 vier Arbeitsbereiche zuständig für die verschiedenen Schwerpunkte des Evangelischen Vereins. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit wurde um die Bereiche Jugendhilfe und Schule, der Erweiterten Schulischen Betreuung und Ganztagsangebote sowie der Jugendberufshilfe ergänzt. Dabei stand immer die Mitgestaltung durch die Kinder und Jugendlichen im Zentrum der täglichen pädagogischen Praxis.
Das zweite Zuhause
Oft hören die Mitarbeitenden des Vereins von Kindern und Jugendlichen, dass „ihre“ Einrichtung ihnen sehr viel bedeutet. „Bei meinem ersten Besuch im Heideplatz war ich so 14 Jahre alt. Von da an war dies wie mein zweites Zuhause. Aber es ging nicht nur um das Tanz-Training. Auch das Ganze hier drum herum war wichtig. Ich konnte Leute treffen, mich austauschen oder zusammen mit anderen kochen“, sagt Batalla. Der Evangelische Verein begegnet den multikulturellen und multireligiösen Frankfurter Lebenswelten durch eine interkulturelle Pädagogik. Er ist sich damals wie heute seinem Bildungsauftrag bewusst und setzt diesen auch künftig um.
Edwin Batalla jedenfalls verstärkt seine Verbindung zum Evangelischen Verein in Zukunft noch weiter: „Ich verdanke die ganze Reise als Künstler größtenteils dem Jugendhaus Heideplatz.“ Demnächst, wenn die Zeiten es wieder zulassen, bietet er kostenfreie Tanzkurse für Kinder und Jugendliche im Jugendhaus Heideplatz an.
Autor: Torsten Link
Weitere Informationen zum Evangelischen Verein für Jugendsozialarbeit gibt es auf www.jugendsozialarbeit-evangelisch.de
Edwin Batalla kann auf Instagram gefolgt werden (batalla_cl), zudem gibt er Kurse in seiner Tanz- und Bewegungsschule „Cipher Dojo“ www.freshfruitsmovement.com/cipherdojo