Äppler unser: Im Gallus stieg Bäppi La Belle auf die Kanzel
Eins hat Thomas Bäppler-Wolf alias Bäppi La Belle schon geschafft, bevor er ein einziges Wort auf der Kanzel gesagt hat: Die Friedenskirche im Gallusviertel ist nahezu voll. An einem ganz normalen Sonntag. Aber ein ganz normaler Sonntag ist es ja gerade nicht, denn eine Predigt des legendären Frankfurter Theatermachers, Tanzlehrers und SPD-Stadtverordneten ist schon etwas Besonderes. Womit er sich dafür qualifiziert hat? Bäppi La Belle weiß es: „Ich habe am 24. Dezember Geburtstag, da habe ich schon mal was gemeinsam mit Jesus.“ Dagegen ist wohl kaum etwas einzuwenden.
Wobei er die Bescheidenheit gar nicht nötig hat, denn wie der 55-Jährige in seinem knallroten Anzug im Kirchenschiff steht, passt er hervorragend dorthin. „Jetzt steh ich hier, ich kann nicht anders“, sagt er, denn schließlich ist noch Luther-Jahr. Man habe ihn gebeten, „zu Schuld und Versöhnung zu predigen, dabei wär mir die Versuchung lieber gewesen!“, erklärt er. Wenn in der Kirche gelacht wird, läuft gerade irgend etwas richtig. Bäppi La Belle gibt erst mal eine Kostprobe alternativer Vaterunsers – zum Beispiel: „Vater Microsoft, der du bist auf der Festplatte, vergib uns unsere Raubkopie….Enter.“
Aber wie kommt Bäppi La Belle, Travestiekünstler und Frankfurter Original, denn nun wirklich zu der Ehre, einen Sonntagsgottesdienst halten zu dürfen? Mit einer ungewöhnlichen Gottesdienstreihe feiert die Gemeinde Frieden und Versöhnung derzeit das 500. Reformationsjubiläum. Unter dem Motto „Dem Volk aufs Maul geschaut“ kommen prominente Frankfurterinnen und Frankfurter auf der Kanzel zu Wort.
Schuld also. Die habe Martin Luther mit Sicherheit auf sich geladen, findet Bäppi La Belle. Indem er sich gegen Kaiser Karl V., gegen den Papst und die Katholische Kirche gewandt und dann sogar noch geheiratet habe, habe er aus Sicht der damaligen Menschen gesündigt. „Und dann hat er als Mönch auch noch geheiratet!“ Kurz habe er darüber nachgedacht, die Predigt in der Friedenskirche als Katharina von Bora zu halten. La Belle outet sich durchaus als Bewunderer Luthers: Habe der große Reformator doch die deutsche Sprache mit unzähligen Aussprüchen bereichert: „Wer es riecht, aus dem es kriecht, das ist von Luther, wussten Sie das? Oder: Lasst euch die Sonne in den Arsch scheinen!“ Aber was Jesus wohl mit Luther gemacht hätte? „Er hätte ihm geholfen und sich mit ihm auseinander gesetzt.“ La Belles Gedankensprüngen sorgen dafür, dass sein Publikum jedes Wort aufmerksam verfolgt. „Und was hätte er mit der AfD gemacht? Genau, er hätte sich mit deren Politikern an einen Tisch gesetzt, so wie er das auch mit anderen Verbrechern gemacht hat.“
Pfarrerin Anne Delpopolo und Pfarrer Nulf Schade-James, haben die Reihe entwickelt, in der schon Manuela Mock, Betreiberin der Boutique „Transnormal“ und der Sportkreisvorsitzende Roland Frischkorn zu Wort gekommen. „Wir wollen dem in der Reformation entwickelten Gedanken des Priestertums aller Gläubigen auf diese Weise Rechnung tragen“ meint Schade-James. Luther selbst habe dazu aufgefordert zu beobachten, wie sich die einfachen Leute ausdrücken. „Man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselben auf das Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen.“
Humor und Kirche, das ist kein Widerspruch. Als Bäppi La Belle die Stall-Szene aus dem Film „Das Leben des Brian“ der britischen Komiker-Gruppe Monty Python mit verstellter Stimme zu Besten gibt, tobt der Saal, wie es wohl in einer Rezension zu einem Stück aus La Belles Theater „Theatrallala“ heißen würde.
Mit einem „Äppler unser“ („Und vergib uns unserern Rausch…Prost!“) verabschiedet sich der Gastprediger. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden könnten sich schon jetzt auf eine Vorführung von „Das Leben des Brian“ freuen, kündigt Nulf Schade-James noch an. „Am besten hier in der Kirche!“ Dann überreicht er Bäppi La Belle einen Ring Fleischwurst zum Dank für seinen Einsatz.