Schnapszahl-Jubiläum: 111 Jahre Martinuskirche in Schwanheim
Frau Blume, es ist ja schon etwas ungewöhnlich, den 111. Geburtstag einer Kirche zu feiern – wie kam es dazu?
Cäcilie Blume: Wir wollten einfach gerne mal wieder feiern und zeigen, dass wir noch da sind. Eigentlich hätten wir ja gerne das 110. Jubiläum im Herbst 2021 gefeiert, aber da war wegen der Pandemie überhaupt nicht absehbar, ob größere Veranstaltungen möglich sein würden. Wir wollten es aber auch nicht ganz absagen, denn wir dachten: Ach, es wäre doch wirklich mal wieder schön, richtig groß zusammen zu feiern. Im Redaktionskreis unseres Gemeindemagazins kam dann die Idee mit den 111 Events auf, das fanden wir spontan gut.
Für eine Festwoche im November wäre das aber etwas viel gewesen...
Genau. Deshalb haben wir entschieden, dass das Jubiläumsjahr von Mai 2022 bis Mai 2023 geht. Wir haben mit den Schwanheimerinnen und Schwanheimern eine Wette geschlossen, eine Art Challenge: Schaffen wir es tatsächlich, so viel auf die Beine zu stellen? Wir sagen: Ja. Falls nicht, werden wir für die Schwanheimer Bevölkerung Geburtstagskuchen backen und kostenlos im Stadtteil verteilen.
Wer denkt sich all die Programmpunkte aus?
Wir alle zusammen. Jeder und jede kann mitmachen – ganz unabhängig ob evangelisch, katholisch oder gar nichts: Von Gottesdiensten, einem Breakdance-Kurs über Spielenachmittage und Kabarett-Abende bis hin zu gemeinsamen Wanderungen – (fast) alles ist möglich. Die Gemeinde stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung und rührt die Werbetrommel. Es treten auch Kabarettist:innen und Kleinkünstler:innen aus dem Frankfurter Raum auf, die freuen sich einfach, wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Ein Gemeindemitglied wird einen Ruder-Workshop anbieten, jemand anders zeigt als Diavisionen zu einem Film zusammengefügte Bilder, ein Chor für Kindergartenkinder hat sich nach einem entsprechenden Workshop gegründet, Clajo Hermann vom Babenhäuser Pfarrer-Kabarett trat auf, es gab zwei Weinabende zugunsten der Ukraine. Die Hemmschwelle, etwas selbst zu organisieren, ist gar nicht so hoch, wie wir gemerkt haben.
Offenbar haben die Schwanheimer:innen einen Hang zu schönen Zahlen: Der Eröffnungstag der neuen Martinuskirche war genau am 19.11.1911. Was macht die Kirche so besonders?
Zunächst war es für die junge evangelische Gemeinde, zu der überwiegend einfache Arbeiter:innen gehörten, finanziell sehr schwer, die Gelder für eine neue Kirche zusammen zu bekommen. In einem Bittbrief der Gemeinde an den evangelischen Gustav-Adolf-Verein wurde die prekäre Lage geschildert: „Ohne Gotteshaus kann sich unsere nicht bloß von römischer Uebermacht sondern auch von der kirchenfeindlichen Sozialdemokratie bedrohte Arbeitergemeinde nicht so entwickeln, wie es dringend notwendig ist.“ Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Schwanheim fast ausschließlich katholisch geprägt. Letztlich konnte die Gesamtbausumme von 181.493 Mark zu 70 Prozent durch Spenden finanziert werden.
Bekannt ist die Kirche auch für ihren blauen Sternenhimmel, der bei der Renovierung 2005 in der Kuppel wieder freigelegt wurde und sich seitdem über den Altarraum wölbt.
Ja, der war von Anfang an da, und wurde 1976 überpinselt. Pfarrer Burkhard Sulimma hat dann dafür gesorgt, dass der Sternenhimmel wieder restauriert und sichtbar wurde. Es gab sogar noch Blattgold vom ursprünglichen Kunstwerk! Berühmt ist auch die Schuke-Orgel, von der sind Kirchenmusiker:innen immer ganz begeistert. Was ich ebenfalls bemerkenswert finde: Fast alle Baumeister der Kirche kamen aus Schwanheim – vom Steinmetz bis zum Glaser. Es ist eben ein Stadtteil der Handwerker und Künstler.
Wer Lust hat, zum Kirchen-Jubiläum eine Veranstaltung zu organisieren, einfach bei Cäcilie Blume (caecilie.blume@ekhn.de) melden. Alle Veranstaltungen finden sich auf Facebook.
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