Pläne für Frankfurts Zukunft: Viel Klima, wenig Soziales
Volles Haus im Casino des Frankfurter Planungsdezernates. Eine Aktivistengruppe der „Grünen Lunge am Günthersburgpark“ begrüßt Martin Hunscher, den Leiter des Stadtplanungsamtes, mit einer kleinen Performance. Der nimmt den Protest gelassen und begrüßt den Auftakt einer kontroversen Debatte darüber, wie die Stadtplanung der Mainmetropole künftig aussehen soll.
Es gibt vieles zu bedenken, wenn man eine Großstadt in die Zukunft führen will, dessen sind sich die Verantwortlichen bewusst. Erstmalig in der Frankfurter Politikgeschichte wird ein Projekt dieser Dimension ämterübergreifend angepackt. „Hierfür gab und gibt es in Frankfurt keine Kultur“, beschreibt Hunscher eines der Probleme. Die von unterschiedlichen Parteien geführten Dezernate in Frankfurt kennen bisher wenig Kooperation und konstruktive Zusammenarbeit.
Mike Josef, Dezernent für Planen und Wohnen, will aber eine Art neue Generation verkörpern. Er wagt den Vorstoß und schafft es, interdisziplinär ausgelegt das „ISTEK-Frankfurt 2030+“ auf den Weg zu bringen, die Abkürzung steht für „Integriertes Stadtentwicklungskonzept“.
Auch wenn das Konzept noch politische Mehrheiten braucht, im Ansatz ist es richtig. Dem Klimawandel soll es begegnen. Stadtbegrünung, komprimierter Wohnungsneubau, sparsame Versiegelung, Verkehrswende. Den Mitdebattierenden von „Fridays for Future“ ist das Konzept zu wenig konkret. Dennoch: Die Tendenz stimmt.
Nachgebessert werden muss allerdings in sozialpolitischer Hinsicht, wie es Gabi Hagmanns, die Direktorin des Caritasverbandes Frankfurt, auf dem Podium auf den Punkt brachte: „In welcher Stadt wollen wir leben?“ Weder soll es Reichen- noch Armen-Ghettos geben dürfen, sondern Frankfurt braucht eine ordentliche Durchmischung, und das auch im Stadtkern. Niemand darf an den Rand von Frankfurt gedrängt werden, nur weil im Gallus, Nordend, Bockenheim, Bornheim, Ostend für kleines Geld kein Wohnraum mehr zur Verfügung steht.
Aber wenn sozial geförderter Wohnungsbau im hübschen Westend oder hippen Nordend realisiert werden, heißt es häufig: „Aber bitte nicht vor meiner Haustür!“ Ausgrenzung, Stigmatisierung, mangelnde Solidarität – will Frankfurt das? Eigentlich bildet sich die Stadt ja viel auf ihre Offenheit und Multikulturalität ein. Diesem Ruf müssen die Frankfurterinnen und Frankfurter aber auch gerecht werden, und dieser Appell gilt vor allem den Wohlhabenderen.
Mike Josef und sein Team haben aber immerhin jetzt einen neuen Politikstil angestoßen, der hoffentlich Schule macht. Das Sozialdezernat sollte sich allerdings noch stärker durchsetzen und eine sichtbareren Fußabdruck im ISTEK hinterlassen, ebenso wie die Initiative „SPO“, die Sozialpolitische Offensive Frankfurt, zu der auch die Kirchen und die Diakonie gehören. Als zivilgesellschaftlicher Akteur hat die SPO eine tragende Rolle und versucht, die Interessen benachteiligter Gruppen in die Frankfurter Stadtpolitik einzubringen.
Damit das ISTEK stärker auch von sozialen Aspekten gespeist wird, muss diese Stimme lauter werden. Ansonsten heißt es in 2030 womöglich, dass Frankfurt zwar Klimavorreiter ist, die Bevölkerung aber sozial noch weiter auseinandergedriftet ist. Und das wäre dann wirklich ein Armutszeugnis.
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