Ethik & Werte

Theolog:innen uneins über assistierten Suizid

Führende Vertreter:innen von Diakonie und evangelischer Kirche schlagen einen neuen Umgang mit Sterbehilfe vor. Auch kirchliche Pflegeheime und Krankenhäuser sollten ihrer Ansicht nach professionelle Hilfe beim Suizid ermöglichen.

Sollen evangelische Krankenhäuser und Pflegeheime assisitierten Suizid ermöglichen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Foto: Daan Stevens /Unsplash
Sollen evangelische Krankenhäuser und Pflegeheime assisitierten Suizid ermöglichen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Foto: Daan Stevens /Unsplash

Sollen evangelische Krankenhäuser und Altenpflegeheime professionelle Suizidbegleitung ermöglichen? Diesen überraschenden Vorschlag machten im Januar drei hochkarätige Theolog:innen in einem Gastbeitrag in der FAZ. Reiner Anselm, Professor für Theologische Ethik in München, Isolde Karle, Professorin für Praktische Theologie in Bochum, und Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, schreiben darin: „Anstatt durch eine Verweigerung Suizidwillige dazu zu zwingen, sich auf die Suche nach – möglicherweise durchaus eigennützig und nicht im Interesse des Lebensschutzes handelnden – Organisationen zu machen, dürfte es sehr viel eher Ausdruck verantwortlichen Handelns sein, entsprechende Möglichkeiten durch besonders qualifizierte interdisziplinäre Teams zuzulassen.“

Bislang sind die christlichen Kirchen strikt gegen assistierten Suizid: Über das Lebensende entscheidet nur Gott, das eigene Leben zu beenden gilt als Sünde. Die drei Autor:innen hingegen knüpfen jetzt an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes an, das voriges Jahr das Verbot der professionellen Suizidhilfe aufgehoben hat. Es sei zwar richtig, schreiben sie, dass eine christliche Ethik die Absolutsetzung von Selbstbestimmung kritisieren müsse. Doch sie dürfen ihre eigenen Überzeugungen anderen nicht aufzwingen. Die letzte Entscheidung in einem konkreten Fall könne nur bei der betroffenen Person selbst liegen.

Das heißt: Wenn jemand trotz aller Argumente und begleitenden Angebote dennoch den Suizid wähle, sei das zu akzeptieren. Und das bedeute konkret, „einem Sterbewilligen unter kontrollierten und verantworteten Rahmenbedingungen in einem aus dem christlichen Glauben entspringenden Respekt vor der Selbstbestimmung Beratung, Unterstützung und Begleitung anzubieten.“

Der theologische Vorstoß von Anselm, Karle und Lilie stieß umgehend auf viel Kritik, unter anderem hat sich auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, davon distanziert. Dem Fünften Gebot "Du sollst nicht töten" entnehme er "schon einen klaren Auftrag, sich für den Schutz des Lebens einzusetzen. Und deswegen sollen wir uns nicht an der organisierten Hilfe zum Suizid beteiligen", sagte er im "ZDF heute-journal".

Von anderer Seite hingegen kommt Zustimmung, etwa vom hessischen Diakoniechef Carsten Tag. Bei der Abwägung zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung und dem Respekt vor dem Leben gebe es aus christlicher Perspektive kein eindeutiges Richtig oder Falsch, sagte Tag in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst. "Diese Debatte werden wir in unseren Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern führen, sobald diese nicht mehr hauptsächlich mit der Bewältigung der Covid-Folgen beschäftigt sind."

Die Diskussion wird also sicher noch weitergehen.


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Antje Schrupp 238 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

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