Ethik & Werte

Transgender im Pfarramt: „Im Herzen bin ich derselbe Mensch“

Dass ein großer Vorlesungssaal an der Frankfurter Uni bei einem theologischen Seminar so gut gefüllt ist, kommt nicht oft vor. Aber viele wollten hören, was Dorothea Zwölfer aus Landshut zu sagen hatte. Sie ist nämlich eine von drei transsexuellen Pfarrerinnen in Deutschland.

Pfarrerin Dorothea Zwölfer bei ihrem Vortrag am Unicampus Westend. Foto: Rolf Oeser
Pfarrerin Dorothea Zwölfer bei ihrem Vortrag am Unicampus Westend. Foto: Rolf Oeser

Bis vor zwei Jahren galt Dorothea Zwölfer offiziell als Mann – so war sie bei ihrer Geburt aufgrund ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale eingeordnet worden. Als Andreas Zwölfer studierte sie Theologie, heiratete, wurde Gemeindepfarrer. Doch ihr ganzes Leben lang fühlte sie sich irgendwie im falschen Geschlecht.

Als Fünfjährige wollte sie von ihrer Mutter wissen, wann sie schwanger werden könnte – die Antwort „Nie“ sei niederschmetternd gewesen. In der Jungen-Umkleide nach dem Sport schämte sie sich. Später kaufte sie aus einem Impuls heraus mal Nylonstrümpfe, nur um sie gleich wieder wegzuwerfen.

Früher mussten sich Transsexuelle scheiden lassen

Solche „Puzzleteile“ hätten sich durch ihr gesamtes Leben gezogen, erzählt Zwölfer. Doch einen Begriff, eine Erklärung dafür hatte sie lange nicht. Zwar hörte sie bereits am Ende ihres Studiums etwas von Transsexualität. Doch damals hätte eine Geschlechtsangleichung bedeutet, sich scheiden lassen zu müssen: Erst 2009 wurde das Transsexuellengesetz entsprechend geändert.

Und so hat Zwölfer ihr Unbehagen von sich geschoben. „Ich habe mich einfach in Arbeit gestürzt“, erzählt sie. Doch Anfang 2011 kommt die entscheidende Wende, eher aus Zufall: Beim Gemeindefasching kommen einige Frauen auf die Idee, ihren Pfarrer zu schminken. Als Zwölfer beim Abschminken eine „große Traurigkeit“ überkommt, setzt sie sich an den Computer und googelt „Männer und Schminke“. Tagelang liest sie sich durch Studien, Theorien, Blogs von Betroffenen zum Thema Transsexualität.

Kein Spleen, sondern angeborene Disposition

Zwölfers anschließendes „Coming Out“ als Frau ist über Strecken schmerzvoll und konfliktreich, aber es hat ein Happy End: Sie kann nicht nur Pfarrerin bleiben, auch die Ehe hält. „Im Herzen bist du ja noch derselbe Mensch, den ich liebe“, habe ihre Frau gesagt. Wichtig sei gewesen, dass Zwölfers Frau sich über Forschungen zum Thema informieren konnte. So hatte sie die Gewissheit, dass es sich bei dem Wunsch ihres „Mannes“, sichtbar als Frau zu leben, nicht um einen Spleen oder eine Böswilligkeit handelte, sondern um eine angeborene Disposition.

„Hirngeschlecht“ nennen das Wissenschaftler, um zu erklären, dass die geschlechtliche Identität bei manchen Menschen nicht mit den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt. Als Pfarrerin stand Dorothea Zwölfer allerdings sofort im Rampenlicht der Medien. „Viele Transsexuelle ziehen nach einer Geschlechtsangleichung um und versuchen, möglichst unauffällig zu leben“, sagt sie. „Bei mir war das nicht möglich. Deshalb habe ich beschlossen, mich zu engagieren.“

Engagement für gesellschaftliche Akzeptanz

Heute setzt die 50-Jährige sich dafür ein, dass Transsexualität nicht als psychische Krankheit sondern als angeborene Normabweichung verstanden wird, dass Hürden bei der Personenstandsänderung abgebaut und Behandlungskosten von den Krankenkassen übernommen werden. Und natürlich für eine generelle Akzeptanz von Transfrauen und Transmännern. Darüber schreibt sie auch in ihrem Blog, wo sie gerade eine Petition gegen die teure Gutachtenpflicht für Transsexuelle bei Namensänderungen gestartet hat.

An Gott jedenfalls hat Pfarrerin Zwölfer bei all dem nie gezweifelt, ganz im Gegenteil: „Ohne meinen Glauben hätte ich das alles vielleicht gar nicht durchgestanden.“


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Antje Schrupp 238 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social